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Der slowakische Kriegsgefangene Vladimír Varinský (Museum des Slowakischen Nationalaufstandes, Banská Bystrica, Slowakei)

Die Feier des 1. Mai in Hameln

„An diesem Tag, einem Dienstag, stehen wir früher auf als sonst. Draußen ist es frisch; eine dünne Schicht Schnee bedeckt den Boden. Es ist der 1. Mai, der Tag der Arbeit, ein internationaler Feiertag.
Von den Kasernen marschieren wir zum Sportplatz. Dort stehen wir Slowaken neben den Brüdern aus Serbien. Gefangene aller Nationen kommen. Die Russen sind besonders zahlreich; sie marschieren in mehreren Gruppen, ihre Fahne an der Spitze. Auch wir haben unsere Fahne dabei.
Deutsche Musiker spielen Märsche, auch die russische Hymne. Andere Hymnen haben sie nicht eingeübt. Repräsentanten jeder Nation halten eine Rede. Zu den Russen spricht außer ihrem Befehlshaber auch der englische.
Am Ende marschieren wir getrennt nach Nationen rund um den Sportplatz. Am Nachmittag gibt es eine Tanzunterhaltung mit Musik im russischen Quartier.“ (Auszug aus dem Tagebuch von Vladimír Varinský, Übersetzung aus dem Slowakischen)

Der slowakische Kriegsgefangene Vladimír Varinský schrieb während seiner Gefangenschaft im Stalag XI B Fallingbostel und in Hameln Tagebuch. Für den 1. Mai schildert er neben den Maifeierlichkeiten die sowjetischen Meldungen  zu Hitlers Tod in den Abendnachrichten.

Hameln war am 7. April von US-Truppen befreit worden. Die etwa 15.000 Displaced Persons in Hameln und Umgebung – zu denen Varinský gehörte – hatten die Alliierten in den Kasernen der Stadt zusammengelegt. Die Feier des 1. Mai fand in der städtischen „Hindenburg-Kampfbahn“ statt. Deutsche waren nicht zugelassen und sollten sich solange auch nicht auf den Straßen aufhalten.

Literatur:
Vladimír Varinský: Peso z nemeckeho Hamelnu do slovenskej Kremnice. Zápisky vojnového zajatca, hrsg. vom Muzeum Slovenskeho narodneho povstania, Banska Bystrica 2010.

Bernhard Gelderblom (Hg.): Als Kriegsgefangener und „Displaced Person“ 1945 in Hameln. Das Tagebuch des Slowaken Vladimír Varinský. Vom slowakischen Nationalaufstand im August 1944 bis zur Rückkehr in die Heimat im Juni 1945, Holzminden 2015.

Italienische Offiziere an den Gräbern ihrer Landsleute auf dem Friedhof des Kriegsgefangenenlagers Fallingbostel. Fotograf: Vittorio Vialli (Istituto Storico Parri Emilia Romagna, Bologna)

Besuch auf dem Kriegsgefangenenfriedhof Fallingbostel

Nach ihrer Befreiung hoffen auch die ehemaligen Kriegsgefangenen auf eine baldige Heimreise. Für viele verlängert sich der Zwangsaufenthalt im Lager allerdings noch um Wochen und Monate. In dieser Zeit des Wartens versuchen sie sich irgendwie einzurichten und ihren Alltag zu organisieren. Außerdem erkunden sie die nähere Umgebung.

Eine Woche nach der Befreiung besucht eine Gruppe ehemaliger italienischer Militärinternierter die Kriegsgefangenenfriedhöfe unweit des Lagers Fallingbostel. Dort sind mindestens 14.000 sowjetische Kriegsgefangene in Massengräbern bestattet worden. In Einzelgräbern ruhen 379 italienische Militärinternierte, 132 französische, 81 jugoslawische, 35 belgische, 28 britische, 28 US-amerikanische, 25 polnische und 20 slowakische Gefangene sowie je ein kanadischer, südafrikanischer und niederländischer Soldat. Sie sind in den Jahren 1940 bis 1945 in den Lagern Fallingbostel und Oerbke ums Leben gekommen.

Literatur:
Vittorio Vialli: Ho scelto la prigionia. La resistenza dei soldati italiani nei Lager nazisti 1943-1945, Rom 1983

Befreite britische Kriegsgefangene, 20. April 1945 (Imperial War Museum, London)

Britische Kriegsgefangene nach der Befreiung in Fallingbostel-Oerbke

Ab August 1944 nutzte die Wehrmacht das Kriegsgefangenenlager Fallingbostel-Oerbke unter der Bezeichnung Stalag 357 zur Unterbringung britischer Gefangener. Durch die Aufnahme von Gefangenen aus Lagern, die angesichts der herannahenden Front geräumt wurden, stiegt die Belegung  ab Februar 1945 rapide an. Zeitweise befinden sich mehrere tausend britische Kriegsgefangene im Lager. Der größte Teil von ihnen wurde am 7. April auf einen Fußmarsch Richtung Elbe geschickt worden. Die kranken und nicht marschfähigen Gefangenen wurden im Stalag 357 zurückgelassen und  am 16. April von britischen Truppen befreit.

Der Armeefotograf Sergeant Walker dokumentiert am 20. April 1945 die Situation in Fallingbostel-Oerbke – unter anderem fotografiert er die an starker Unterernährung leidenden Kranken im Lazarett des Lagers.

„Eine Szene der großen Razzia, am Eisenbahnknotenpunkt der Warenlager. Slawen, Russen, Polen, Franzosen, italienische Soldaten und Zivilisten sind damit beschäftigt, begehrte Lebensmittel wegzuschaffen: Zucker, Kaffee, Speck, Dosenfleisch, Mehl . . .“ (Foto und Kommentar: Vittorio Vialli. Fondo Vittorio Vialli - Archivio Istituto Storico Parri Emilia Romagna, Bologna)

Fallingbostel: Die befreiten Kriegsgefangenen gehen zur Selbstversorgung über

Während seiner Gefangenschaft machte der italienische Marineoffizier Vittorio Vialli heimlich mehr als 300 Fotos. Es gelang ihm mit viel Glück eine Kamera und einen Vorrat an Filmen in die verschiedenen Lager zu schmuggeln und zu verstecken. Heimlich fotografierte Vialli das Alltagsleben in den Lagern – so auch die Tage vor und nach der Befreiung des Lagers XI B Fallingbostel.

„Fallingbostel, 18. April 1945: In der Nähe unseres Lagers liegen drei riesengroße Magazine des deutschen Heeres, welche sich über 5 Stockwerke und ein ausgedehntes Kellergeschoss erstrecken, und die mit allem möglichen gefüllt sind, vor allem Lebensmittel. Es gibt auch eine große Anzahl von Waren mit dem Etikett der UPIM-Ladenkette, die in Italien erbeutet worden waren. Noch vor der Befreiung konnten die verschiedenen Mannschaften von Freiwilligen vor den Augen der wenigen Deutschen, die als Wachen dageblieben waren, verschiedenste Lebensmittel an sich nehmen; solche Aktionen waren immer noch gefährlich, es gab so manchen Schusswechsel und auch einen verletzten Offizier. Nach der Befreiung wurden diese Lagerräume von den ehemaligen Gefangenen gestürmt…“

Literatur:
Vittorio Vialli: Ho scelto la prigionia. La resistenza dei soldati italiani deportati 1943–1945, Forni 1975

„16. April 1945 – Die Minuten vergehen furchtbar langsam, man hört Gerassel in der Nähe. Die Gefangenen klettern auf das Dach der Baracke. Genau 10.30 Uhr - Jetzt ist es soweit: man kann die Panzer sehen!“ (Foto und Kommentar: Vittorio Vialli. Fondo Vittorio Vialli - Archivio Istituto Storico Parri Emilia Romagna, Bologna)

Befreiung der Kriegsgefangenen im Stalag XI B Fallingbostel

Nachdem in den letzten Wochen Räumungstransporte aus Lagern im Osten und Westen eingetroffen sind, ist das Kriegsgefangenenlager XI B Fallingbostel völlig überfüllt. Ein Großteil der Bewachung ist vor einigen Tagen abgerückt, nur ein Restkommando ist zurückgeblieben. Am Morgen hören die Gefangenen erstmals Waffenlärm deutscher und britischer Einheiten am Ortsrand von Fallingbostel. Bald ziehen sich die Deutschen zurück. Die Kriegsgefangenen werden kampflos befreit.

Der italienische Offizier Vittorio Vialli hat einen Fotoapparat mit ins Lager geschmuggelt und macht mehrere Aufnahmen vom Geschehen, das er wie folgt beschreibt: „Das Lager ist in Aufruhr, die Gefangenen drängen sich alle entlang des Stacheldrahtzaunes und warten auf den großen Augenblick. […] Die Minuten vergehen furchtbar langsam, man hört Detonationen in der Nähe. Die Gefangenen klettern auf das Dach der Baracke. Genau 10:30 Uhr. Jetzt ist es so weit, man kann die Panzer sehen! […] Schnell kommt der zweite Panzer, dann noch einer, und noch weitere. […] Der Panzerführer übermittelt seinem Kommandanten die Nachricht von der Befreiung der Gefangenen.“

Literatur:
Vittorio Vialli: Ho scelto la prigionia. La resistenza dei soldati italiani nei Lager nazisti 1943-1945, Rom 1983

Auf dem Marsch von Groß Born nach Sandbostel. Undatierte Zeichnung von Wieslaw Chrzanowski, Oberleutnant der Armia Krajowa und Kriegsgefangener in den Lagern Fallingbostel, Bergen-Belsen, Groß Born, Sandbostel und Lübeck. (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten/Dokumentationsstelle Celle)

Ankunft einer Marschkolonne polnischer Kriegsgefangener im Stalag X B Sandbostel

„Was wir in Sandbostel gesehen haben, übertraf unsere schlimmsten Erwartungen. Überall ein unbeschreiblicher Schmutz, überall Abfallhaufen, irgendwelche Gemüsehalden, Stapel von Brettern und anderem Baumaterial, hinzu kam noch das Organisationschaos, auf die Zuteilung unserer Quartiere mussten wir mehrere Stunden lang warten.“ So schildert Jerzy Jabrzembski, Offizier der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa), später seine ersten Eindrücke.

Bei ihrem Eintreffen in Sandbostel haben die Kriegsgefangenen mehr als 600 Kilometer Fußmarsch hinter sich. Sie kommen aus dem Lager Groß Born in Pommern, das am 28. Januar bei Annäherung der sowjetischen Truppen geräumt worden ist. 5.000 Gefangene werden bei starkem Frost und Schneesturm in Richtung Westen getrieben, darunter auch 500 Männer, die erst am 12. Januar im Zuge der Auflösung des Kriegsgefangenenlagers Bergen-Belsen mit dem Zug nach Groß Born transportiert worden sind.

Nach kurzem Aufenthalt in Sandbostel werden die polnischen Gefangenen am 11. April erneut zu Fuß in Marsch gesetzt und erreichen schließlich das Offizierslager Lübeck, wo sie am 2. Mai von britischen Truppen befreit werden.

Eintrag im Sterbezweitbuch des KZ Bergen-Belsen über den Tod von Fernand Demoustier Dokument 3397519 (1.1.3.1/0028/0032), ITS Digitales Archiv

Tod von Fernand Demoustier im KZ Bergen-Belsen

Am 16. März 1945 stirbt der belgische Häftling Fernand Demoustier im Männerlager des KZ Bergen-Belsen.

Geboren 1906 in Mons beendete er 1930 erfolgreich sein Jura-Studium an der Universität Brüssel. Inspiriert von den Schriften des französischen Dichters André Breton schloss er sich surrealistischen Kreisen in Brüssel an und begann unter dem Pseudonym Fernand Dumont als Schriftsteller zu arbeiten.

Während der deutschen Besetzung Belgiens ging Fernand Demoustier in den Widerstand, wurde jedoch im April 1942 verhaftet. Über das Gefängnis in Mons brachten ihn die Deutschen über zahlreiche Arbeits- und Konzentrationslager, u.a. Herzogenbusch, Sachsenhausen, Neuengamme, schließlich nach Bergen-Belsen.

Im Sonderstandesamt des KZ Bergen-Belsen wurden 1945 etwa 1.300 Todesfälle beurkundet. Die SS machte sich angesichts der enormen Zahl keine Mühe, sämtliche Toten amtlich zu erfassen. Auch die Todesursache wurde in der Regel nicht untersucht, sondern eine standardisierte Angabe gemacht. Das sogenannte Sterbeerstbuch ließ die SS zusammen mit der Lagerregistratur kurz vor dem Eintreffen der britischen Armee vernichten. Überliefert ist nur das Sterbezweitbuch, das sich als Sicherheitskopie im Standesamt der nahegelegenen Stadt Fallingbostel befand. Hieraus stammt das gezeigte Dokument.

In Mons trägt ein Park den Namen, den Fernand Demoustier sich als Dichter selbst gegeben hat.

Mehr Information:
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http://fr.wikipedia.org/wiki/Fernand_Dumont_%28%C3%A9crivain_belge%29