Schlagwort-Archive: Charkow

Links: Nadja Podmogilnaja, ca. 1944 (Stadtarchiv Hannover, Sammlung Zwangsarbeiter/Bilddateien/173244-833/Wlasenko Bogdan (Nadja Podmogilnaja). Rechts: Pjotr Palników, undatiert (RGASPI, Moskau, Bestand 117, Findbuch 1, Nr. 2090)

Erschießungen auf dem Seelhorster Friedhof

In den letzten Kriegswochen weist das Reichssicherheitshauptamt die Gestapo-Stellen an, jene Häftlinge zu exekutieren, die ein „Todesurteil“ zu erwarten haben. In Hannover werden deshalb am Freitag, den 6. April 1945 – vier Tage vor der Befreiung – über 150 Personen vom Gelände der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule Ahlem zum Stadtfriedhof Seelhorst getrieben. Es handelt sich vorwiegend um sowjetische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter, die entweder aus dem kurz zuvor aufgelösten Arbeitserziehungslager Lahde bei Minden kamen oder im Polizeiersatzgefängnis in Ahlem einsaßen. Auf dem Marsch durch die Stadt können mehrere von ihnen entkommen.

Auf dem Friedhof müssen sich die Häftlinge an das von ihnen selbst ausgehobene Massengrab stellen. Sie werden von Angehörigen der Gestapo erschossen – unter den 154 Ermordeten als einzige Frau die in Charkow geborene Nadja Podmogilnaja, die zur Zwangsarbeit nach Hannover verschleppt worden war. Dem ebenfalls aus Charkow stammenden Peter Palników gelingt als Einzigem die Flucht. Nach der Befreiung informiert er die Alliierten über die Erschießungen auf der Seelhorst. Auf Veranlassung der Alliierten werden die Leichen am 2. Mai 1945 exhumiert und am Nordufer des Maschsees in einem Ehrengrab beigesetzt.

Literatur:
Die Erschießungen auf dem Seelhorster Friedhof 1945. Hannoversche Geschichtsblätter 59/2005 Beiheft 3

Informationen im Internet:
Geschichts- und Erinnerungstafel Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge >> http://www.volksbund.de/kriegsgraeberstaette/hannover-mitte-friedhof-maschsee-nordufer.html

Foto von Irina Wolkowa. Das Aufnahmedatum ist nicht bekannt. (Stadtarchiv Hannover | Sammlung Zwangsarbeiter/Bilddateien/173244-833a/Wlasenko Bogdan (Ira Wolkowa)

Tod kurz vor der Befreiung

Ira (Irina) Wolkowa, geboren 1926 in Charkow (damals UdSSR), ist zur Zwangsarbeit nach Hannover verschleppt. Sie arbeitet bei der Post. Augenzeugen zufolge wird sie verhaftet, als sie Lebensmittel für ihre Cousine Nadja bei sich trägt. Die Gestapo beschuldigt sie des Diebstahls und weist sie in ihr Gefängnis auf dem Gelände der Israelitischen Gartenbauschule Ahlem ein. Irina Wolkowa gehört zu den mindestens 59 Häftlingen, die hier zwischen dem 2. März und dem 27. März 1945 erhängt werden. Dazu waren in das einstöckige Holzgebäude der ehemaligen „Laubhütte“ der Gartenbauschule Galgen eingebaut worden.
Ihre Cousine wird zur Abschreckung gezwungen, der Hinrichtung beizuwohnen. Sie ist am 6. April 1945 die einzige Frau unter den 154 Opfern einer Massenerschießung. Unter ihnen ist kein Deutscher.

Literatur:
Hans-Dieter Schmid (Hrsg.): Ahlem: Die Geschichte einer jüdischen Gartenbauschule, Bielefeld, 2008

Herbert Obenaus: „Sei stille, sonst kommst du nach Ahlem!“, Zur Funktion des Gestapostelle in der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule von Ahlem (1943 -1945), Hannover, 1988, Sonderabdruck aus „Hannoversche Geschichtsblätter“, Neue Folge Bd. 41 (1987)