Schlagwort-Archive: Lübeck

Auf dem Marsch von Groß Born nach Sandbostel. Undatierte Zeichnung von Wieslaw Chrzanowski, Oberleutnant der Armia Krajowa und Kriegsgefangener in den Lagern Fallingbostel, Bergen-Belsen, Groß Born, Sandbostel und Lübeck. (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten/Dokumentationsstelle Celle)

Ankunft einer Marschkolonne polnischer Kriegsgefangener im Stalag X B Sandbostel

„Was wir in Sandbostel gesehen haben, übertraf unsere schlimmsten Erwartungen. Überall ein unbeschreiblicher Schmutz, überall Abfallhaufen, irgendwelche Gemüsehalden, Stapel von Brettern und anderem Baumaterial, hinzu kam noch das Organisationschaos, auf die Zuteilung unserer Quartiere mussten wir mehrere Stunden lang warten.“ So schildert Jerzy Jabrzembski, Offizier der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa), später seine ersten Eindrücke.

Bei ihrem Eintreffen in Sandbostel haben die Kriegsgefangenen mehr als 600 Kilometer Fußmarsch hinter sich. Sie kommen aus dem Lager Groß Born in Pommern, das am 28. Januar bei Annäherung der sowjetischen Truppen geräumt worden ist. 5.000 Gefangene werden bei starkem Frost und Schneesturm in Richtung Westen getrieben, darunter auch 500 Männer, die erst am 12. Januar im Zuge der Auflösung des Kriegsgefangenenlagers Bergen-Belsen mit dem Zug nach Groß Born transportiert worden sind.

Nach kurzem Aufenthalt in Sandbostel werden die polnischen Gefangenen am 11. April erneut zu Fuß in Marsch gesetzt und erreichen schließlich das Offizierslager Lübeck, wo sie am 2. Mai von britischen Truppen befreit werden.

„Pass für ehemalige KZ-Häftlinge“ für Christian Franz (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten / Gedenkstätte Bergen-Belsen; Privatbesitz)

Ein Ausweis für Christian Franz

Am 19. März 1945 erreicht ein Transport aus dem KZ Mauthausen das KZ Bergen-Belsen. In diesem Transport befinden sich viele Sinti und Roma, unter ihnen auch der fünfjährige Christian Franz und seine Mutter Luise.

Christian Franz wurde am 20. Februar 1939 in Lübeck geboren. Zusammen mit seiner Familie wurde er wegen der Zugehörigkeit zu den Sinti im März 1943 in Bremen verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Gemeinsam mit seiner Mutter Luise Franz wurde er 1944 von dort nach Ravensbrück gebracht. Am 7. März 1945 wurden beide in das KZ Mauthausen verlegt. Am 17. März 1945 wurden sie erneut auf einen Transport geschickt. Am 19. März kommen sie schließlich im KZ Bergen-Belsen an. Dort werden sie am 15. April von der Britischen Armee befreit.

In dem wenige Wochen nach der Befreiung ausgestellten „Pass für ehemalige KZ-Häftlinge“ wird bescheinigt, dass der fünfjährige Christian Franz in den KZ Auschwitz und Ravensbrück war. Es fehlt die Angabe von zwei weiteren Konzentrationslagern, Mauthausen und Bergen-Belsen.
Als „Nationalität“ wird in den Pass „Ungarn“ eingetragen. Wie alle von den Nationalsozialisten als „Zigeuner“ klassifizierten Deutschen war auch Christian Franz seine ursprüngliche Staatsbürgerschaft entzogen worden.

Freilassung von 105 türkischen Juden in die Türkei, März 1945. Reiseroute rekonstruiert nach den Berichten von Rudolf Levi und Philippe Aubert de la Rüe. (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Bergen-Belsen, Atelier Weidner Händle, Stuttgart)

Freilassung von 105 Juden aus dem KZ Bergen-Belsen in die Türkei

Am 4. März 1945 verlässt ein Transport mit 105 türkischen Juden das sogenannte Neutralenlager des KZ Bergen-Belsen.

Die Familien, darunter 20 Kinder, wurden im Laufe des Jahres 1944 aus verschiedenen Ländern Europas in das Austauschlager Bergen-Belsen gebracht, da sie den Anspruch auf die türkische Staatsangehörigkeit erhoben. Im August 1944 brach die Türkei die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich ab und internierte die dort lebenden Deutschen. Da das Deutsche Reich ein Interesse an der Rückkehr der eigenen Staatsangehörigen hatte, wurde ein Austausch vereinbart.

In Lübeck stoßen weitere 20 jüdische Frauen und Kinder aus Ravensbrück zu der Gruppe aus Bergen-Belsen. Sie fahren ab Göteborg mit der MS Drottningholm auf dem Seeweg über England, Portugal und Ägypten nach Istanbul. Nach der Ankunft am 10. April 1945 verweigert die Türkei zwar den meisten Juden die Anerkennung der Staatsbürgerschaft, erlaubt aber nach längeren Verhandlungen einen Aufenthalt in Flüchtlingslagern.

Literatur:
Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Berlin/Hamburg 2008, S. 468ff