Archiv des Autors: Holger Frerichs

Links: Franz Bohm, 1913-1945. Rechts: Namenstafel auf der Sammelgrabanlage Friedhof Strückhausen, Ovelgönne/Wesermarsch (Fotos: Privat. Sammlung Holger Frerichs)

Exekution eines Ordnungspolizisten wegen „Fahnenflucht“

Am 2. Mai 1945, drei Tage vor dem Waffenstillstand in Nordwestdeutschland, wird auf dem Friedhof Strückhausen (Gemeinde Ovelgönne, Landkreis Wesermarsch) der 32-jährige Ordnungspolizist Franz Bohm wegen „Fahnenflucht“ erschossen.

Er stammte aus Goch im Rheinland und war seit 1935 Beamter der Ordnungspolizei, gehörte somit selbst einer der Tätergruppen des NS-Regimes an: Bohm hielt sich im Sommer 1941 mit dem Polizei-Bataillon 64 im „auswärtigen Einsatz“ im besetzten Serbien auf. Zwischen 1942 und 1944 folgten unter anderem Einsätze bei Dienststellen der Ordnungspolizei im südlichen Teil der besetzten Sowjetunion. Ab Anfang 1945 war Bohm bei den „Kampfgruppen“ des Höheren SS- und Polizeiführers West eingesetzt, dessen Personal aus Ordnungspolizisten, Sicherheitspolizei, SS und SA rekrutiert wurde. Diese „Kampfgruppen“ operierten hinter der Front. Zu ihren Aufgaben zählte die Zwangsevakuierung von Bewohnern der Frontgebiete, aber auch die „Bekämpfung“ von flüchtenden Zwangsarbeitern und „kapitulationswilligen“ deutschen Zivilisten. Mit dem „Polizei-Bataillon Merveldt“ gelangte er beim Rückzug vor den alliierten Truppen bis in den Raum Nordwestdeutschland. Dort setzte er sich Ende April aus „familiären Gründen“ von seiner Truppe ab und wurde kurz darauf von Feldgendarmerie der Wehrmacht gefasst.

Nun wurde er selbst Opfer der Wehrmachtsjustiz in der Kriegsendphase: Ein Kriegsgericht der 471. Infanterie-Division verurteilte ihn am 1. Mai zum Tode. Zu diesem Zeitpunkt war die „Kriegsgerichtsbarkeit“ der Wehrmacht auch auf Angehörige der Ordnungspolizei ausgedehnt worden. Einen Tag später vollstreckte die Feldgendarmerie das Urteil.

Bohm ruht auf dem Friedhof in Strückhausen in einer Sammelgrabanlage – gemeinsam mit sowjetischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die in der Gegend ihr Leben lassen mussten.

Literatur:
Wilhelmshavener Zeitung, Beilage „Heimat am Meer“, Nr. 11/2014. 31. Mai 2014.

Vermerk Gendarmerie Varel, 10. September 1945 (Staatsarchiv Oldenburg)

Erschießung des Kriegsgefangenen Jan Fillo

Am 1. Mai 1945 wird im Ortsteil Neuenwege in der Gemeinde Varel-Land der Kriegsgefangene Jan Fillo von einem deutschen Wehrmachtangehörigen erschossen. Fillo wird auf dem evangelisch-lutherischen Friedhof der Stadt Varel bestattet.

Er gehörte einem Kriegsgefangenen-Arbeitskommando an, dessen Angehörige hauptsächlich beim nahe gelegenen Flugzeug-Motorenwerk Varel-Neuenwege eingesetzt wurden.

Fillo wird Anfang Mai 1945 auf einem in der Nähe des Kriegsgefangenenlagers befindlichen Grundstück eines Landwirtes in Neuenwege im Keller des Wohnhauses von einem vorbeiziehenden Angehörigen der Kriegsmarine gestellt und mit Kopfschuss exekutiert. Die genauen Begleitumstände der Tat, aber auch die Herkunft und Identität Fillos bleiben ungeklärt. Nach den polizeilichen Ermittlungsakten vom Herbst 1945 ist er serbischer Kriegsgefangener und hat „den Anordnungen“ der Täter „keine Folge geleistet“. Das Vareler Begräbnisregister enthält die Eintragung „wegen Kartoffeldiebstahl erschossen“ und die abweichende Nationalitätenangabe „Tscheche“. Bisher sind somit nur Name und Sterbedatum des Opfers bekannt, weitere Angaben zu seiner Person (Geburtsdatum, Geburtsort/Nationalität und Erkennungsmarkennummer) können nicht ermittelt werden.

Literatur:
Holger Frerichs: Das Kriegsende 1945 in Varel – Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der Beginn der alliierten Besatzungszeit im südlichen Landkreis Friesland 1945/46, Jever 2004.

Weblink:
Homapage von Holger Frerichs >> http://www.ewetel.net/~holger.frerichs

Straße

Verlegung niederländischer Gestapo-Häftlinge vom „Ausländerlager“ Sande-Neufeld in das Lager Schwarzer Weg in Wilhelmshaven

Im Februar 1945 kam es zu einer zeitweisen Unterbringung niederländischer Gestapo-Häftlinge im Zwangsarbeiterlager Sande-Neufeld (Landkreis Friesland). Diese Häftlinge wurden anschließend wie etwa 800 weitere Leidensgenossen in das Lager „Schwarzer Weg“ in Wilhelmshaven gebracht.

Mitte Februar 1945 berichtete die Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven an die zuständige Staatspolizei-Außenstelle Wilhelmshaven:
Da bisher insgesamt 12 Fluchtfälle vorgekommen sind, […], wurde, wie auch mit dem Leiter der dortigen Dienststelle [Lager Schwarzer Weg] besprochen, nunmehr die Kennzeichen [sic! Kennzeichnung] der Häftlinge durch Aufpinseln eines ‚H‘ (Häftling) und zwar in gelber Ölfarbe auf die in Ermangelung von Häftlingskleidung zu tragende Zivilkleidung, angeordnet und bereits zum Teil durchgeführt. Aus hygienischen Gründen wurde ferner kurzer Haarschnitt angeordnet. Von den 12 geflüchteten Häftlingen wurden inzwischen durch hiesige ausländische Gewährsmänner im Ausländerlager Sande, wo sie sehr wahrscheinlich Unterstützung bei freien holländischen Arbeitern gefunden hatten, ermittelt und von der Lagerführung [in Sande-Neudeich] der Gendarmerie-Station Sande übergeben. Diese Flüchtlinge sind, nachdem sie für kurze Zeit im dortigen Polizeigefängnis eingesessen haben, nunmehr dem Lager Schwarzer Weg überstellt worden.“

Am 23. Februar 1945 berichtete die Gestapo-Außenstelle Wilhelmshaven abschließend an die Staatspolizeistelle Bremen:
„Die Unterbringung dieser Häftlinge, wie auch die Einkleidung stieß auf größere Schwierigkeiten, da die OT. [Organisation Todt], der die Häftlinge unterstellt sind, weder Lager noch Kleidung besaß. Der erste Transport [Stärke etwa 200 Mann] wurde zunächst vorübergehend im Ausländerlager Sande untergebracht. Da das Lager aber für Pol. Häftlinge zu klein und nicht geeignet war, wurde eine Umlegung vorgenommen, und zwar in das ehemalige Kriegsgefangenenlager Schwarzer Weg, Verlängerung des Mühlenweges.“

Nach der Besetzung Wilhelmshavens durch die 1. Polnische Panzerdivision am 6. Mai 1945 wurden die niederländischen Häftlinge befreit.

Quelle: Staatsarchiv Bremen, Bestand 5,4 Nr. 1974/11/19.

Literatur:
Holger Frerichs: Sande: Das Zwangsarbeiter- und DP-Lager im Ortsteil Neufeld (1940-1948)